Hilfe zur Selbsthilfe
Ein Schamane wird niemals eine fachspezifische ärztliche Betreuung ersetzen. Aber Schamanismus kann helfen einen Selbstheilungsprozess in Gange zu setzen.
Spirits und Geister
Im schamanischen Weltbild ist alles belebt und beseelt. Die menschliche Existenz ist nur eine von unzähligen Formen. In allen Formen existiert die Schöpferkraft, das Odem, der innere Geist des Lebens. Da in allen Lebensformen, sei es eine Pflanze, ein Tier, ein Stein oder eine andere Lebensform, die Schöpferkraft innewohnt, werden alle mit besonderem Respekt behandelt. Denn dadurch, dass der innere Geist des Lebens überall derselbe ist, ist alles mit allem verbunden.
Im Schamanismus wird grundsätzlich mit den guten Kräften der sichtbaren und unsichtbaren Welten gearbeitet. Mit Spirits sind jene unsichtbaren Schöpferintelligenzen gemeint, die in jeder Lebensform, den kosmischen Welten, ja auch den Atomen innewohnen. Schamanen wissen um diesen Geist in allen Dingen. Sie wissen, dass alles miteinander verbunden ist, sich gegenseitig unterstützt und auch Wechselwirkungen hat.
Die Kunst
einer Schamanin
Das Wort Schamanismus kommt aus dem sibirisch-tungusischen „šamán“ und bedeutet übersetzt „mit Hitze und Feuer arbeiten“. Symbolisch auf den Menschen bezogen bedeutet dies, jemand, der Energie umwandelt. Feuer ist nicht nur eine Kraft, sondern auch Energie. Für die sibirischen Schamanen ist das Feuer die größte Kraft der Transformation. Da den Schamanen die Fähigkeit, Energie zu transformieren, zugeschrieben wird, entstand dieser Begriff.
Im schamanischen Sinne gibt es weder Gut noch Böse. Es ist alles neutral. Nur wenn es irgendwo ein Defizit gibt oder einen Überschuss an Energie herrscht, muss es wieder in ein harmonisches Gleichgewicht gebracht werden. Im schamanischen Heilprozess lernen wir Quellen der Kraft kennen, um Gleichgewichtsstörungen der Seele aufzulösen und Unstimmigkeiten des Körpers zu transformieren. Die Balance von Körper, Geist und Seele aktiviert die Selbstheilungskräfte des Organismus.
Verschiedene
Konzepte der Heilung
Aufgrund der effektiven Erfolge in der Unterstützung der Selbstheilungskräfte interessieren sich immer mehr Menschen, die in heilenden Berufen tätig sind, für den Schamanismus und integrieren ihre Erfahrungen in ihre Arbeit.
Die Hauptaufgaben der Schamanen sind immer, die spirituellen Voraussetzungen für die Genesung der Klientinnen und Klienten zu schaffen. Im Schamanismus wird nicht in erster Linie psychologisch oder körperlich gearbeitet, sondern spirituell. Der Umgang mit Heilkräutern, Medizin, Handauflegen, Chakren etc. spielt eine untergeordnete Rolle. Im uns bekannten Sinne wird einer Patientin oder einem Patienten eine Medizin oder ein Heilkraut verordnet, die oder das dann im Organismus eine ganz bestimmte heilende oder lindernde Wirkung hervorruft.
Träger spiritueller
Kräfte
Es gibt Welten, die in Koexistenz mit unserer materiellen Welt sind, uns aber verborgen bleiben. Wie die materielle Welt verschiedene Welten hat (Menschen, Tiere, Pflanzen, Mineralien), existieren andere Welten auf unterschiedlichen Ebenen und Energiefrequenzen. Schamanen sind Wandernde zwischen diesen Welten. Sie sind mit der Welt der Spirits und der Götter in Verbindung. Die Spirits sind ihre Verbündeten und Helferinnen und Helfer. Wenn sich Schamanen in eine nicht alltägliche Bewusstseinsebene versetzen, können sie mithilfe dieser Verbündeten in andere Wirklichkeiten reisen. Dadurch sind sie imstande, Diagnosen ohne technische Geräte durchzuführen, Heilarbeiten zu verrichten, Inspiration und Kenntnisse zu erlangen und die heilenden Kräfte in die körperliche/materielle Welt zu transportieren.
Schamanen fungieren in dieser Heilarbeit als Träger spiritueller Heilkräfte. Sie bitten ihre Spirits um Hilfe für ihre Klientinnen und Klienten. Die Ausführenden und Heilenden sind dann diese höheren, spirituellen Kräfte, die durch ihre Vermittlung in den Körper einfließen können und die Selbstheilung aktivieren.
Unsere Mutter
Erde
Im schamanischen Konzept hat alles seinen Platz: die physischen Welten wie die nicht physischen Welten, die Gesetze der Erde sowie die kosmischen Gesetze.
Als ich bei den Lakota-Frauen Two Star Woman und Beaver Woman lernte, erzählten sie mir eine kleine Schöpfungsgeschichte: Jenseits von Raum und Zeit existiert eine Energie, die in sich weiblich ist. Diese wird als die Urahnin bezeichnet. Sie gebärt aus sich heraus eine männliche Energie, den Urahn. Die beiden vermählen und lieben sich, und als Kinder entstehen Sonne und Erde. Sonne und Erde lieben und vermählen sich, und als erstes Kind entstehen die Pflanzen, als zweites die Tiere und als drittes die Menschen. Dies bildet eine Familie – eine Erdenfamilie, in die wir hineingeboren werden, genauso wie in eine bestimmte Menschenfamilie. Je nachdem, welche Aufgabe wir in dieser Inkarnation haben, begleiten uns auch die dementsprechenden Pflanzen oder Tiere als „Verbündete“.
Die Magie
der Pflanzen
Für Schamanen ist der Raum zwischen Menschen oder Dingen und auch der leere Raum kein durchsichtiges Nichts, kein Vakuum. Dieser Raum ist belebt von Energie. Und hinter jeder Energie steht eine Wesenheit, eine Präsenz, auch wenn wir sie nicht mit unseren Augen sehen können. Wir wissen ja, dass physische Materie nicht fest ist, sondern sich aus Atomen zusammensetzt, die ihrerseits auch nicht aus fester Masse bestehen, sondern aus einem Atomkern und Elektronen, die um den Atomkern kreisen. Besonders spannend ist, dass jedes Atom 99,9 Prozent Hohlraum – also Leere – hat. Das ist messbar. Doch was in dieser Leere ist und wie diese wirkt, das haben wir bisher nicht herausgefunden.
Die Pflanzen, als älteste Kinder, geben uns Nahrung, Kleidung, Schutz und Heilung. Sie sind wichtige Lehrer der Schamanen. Jahrelange spezielle Disziplinen und Pflanzendiäten sind vor allem im traditionellen Medizinweg ein Pfad, um von ihnen zu lernen.
In der schamanischen Sicht gibt es vielfältige Möglichkeiten, spirituelle Kräfte von Pflanzen zu übertragen, um die Selbstheilungskräfte der Klientinnen und Klienten zu unterstützen und zu aktivieren, wie ich an folgenden Beispielen darstellen möchte.
- Die Schamanin unternimmt eine Reise in die nicht-alltägliche Wirklichkeit und besucht das spirituelle Energiefeld der Pflanze. Mithilfe der Spirits transportiert sie deren reinigende und heilende Kräfte aus der spirituellen Wirklichkeit, auch Nagual genannt, in die alltägliche Wirklichkeit, Tonal. Zurück von der Reise wird die Schamanin die Kraft der Pflanzen einblasen, einrasseln, eintrommeln, über die Hände einleiten oder über einen Gesang einweben.
- Es kann auch sein, dass die Schamanin die Pflanze einnimmt, als Tee oder kauend, um die Information der Pflanze über die Schleimhäute aufzunehmen, um dann deren reinigende und heilende Wirkung auf die Klientinnen und Klienten zu übertragen.
- Oder die Pflanze wird von den Klientinnen und Klienten selbst eingenommen.
Die Kraft der Tiere
Nach schamanischer Vorstellung hat jede Person auf der körperlichen, psychischen und mentalen Ebene verschiedene Kräfte und Energien, die auch Verbindungstore zu den spirituellen Welten sind. So besitzt jede Person beispielsweise ein Krafttier oder eine Pflanzenverbündete.
Das Krafttier repräsentiert eine Energiefrequenz, die heilend, stärkend und unterstützend unser Leben begleitet. Vernachlässigen wir nun unseren Körper, unsere Psyche oder unseren Geist durch Drogen- und Medikamentenmissbrauch, Fehlernährung, mangelnde Bewegung, Trägheit und Sich-gehen-lassen oder durch zu viele negative Gefühle, wird sich unser Krafttier nicht mehr bei uns wohlfühlen und unser Energiefeld verlassen. Es entsteht ein Defizit, ein leerer Raum, welcher mit einer Energie besetzt wird, die dort nicht hingehört. Schwäche, Erkrankungen und Beschwerden entstehen. Auch andere spirituelle Energien und Kräfteausrichtungen verlassen uns, wenn wir nicht gut zu uns selbst schauen.
Hilfe zur
Selbstheilung
Der Raum im Inneren und Dazwischen kann erforscht werden. Schamanen können hier wahrnehmen, was andere nicht zu sehen vermögen. Es ist eine Erweiterung des Bewusstseins auf nicht-physische Welten und Dimensionen. Die Aufgabe der Schamanen ist es, die Welt der Spirits, der inneren und äußeren Räume, mit der körperlichen, der psychischen und der mentalen Welt in Ordnung zu bringen. Schwere Schicksalsschläge, Liebeskummer, Traumata und Stress können im schamanischen Heilkonzept zur Flucht von Seelenanteilen führen. Wir kennen dieses Phänomen aus der Psychologie als partielle Dissoziation. Es entsteht im Seelenfeld ein Vakuum, welches durch eine Energie aufgefüllt wird, die dort nicht hingehört. Schamanen können, mithilfe ihrer Krafttiere und Verbündeten, die verlorenen Kräfte und Energien wieder an ihre ursprünglichen Plätze zurückführen.
Schamanen werden niemals eine fachspezifische ärztliche Betreuung ersetzen. Aber Schamanismus kann helfen, einen Selbstheilungsprozess in Gang zu setzen, der sich auf einer spirituellen Ebene abspielt und dann weitgreifend in die psychischen und körperlichen Energiefelder der Klientinnen und Klienten manifestiert.
© Copyright Sonia Emilia Rainbow